Lateinamerika wird protestantisch – und wir Katholiken unterhalten uns über veraltete marxistische Rezepte aus den Siebzigerjahren

Lateinamerika wird protestantisch – und wir Katholiken unterhalten uns über veraltete marxistische Rezepte aus den Siebzigerjahren

Kardinal Sarah kritisierte in einem ausgezeichneten Beitrag, die Amazonas-Synode werde zu ideologischen Zwecken missbraucht (Catholic News Agency).

Der Präfekt der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, bezeichnete Versuche, die Amazonas-Synode für ideologische Pläne wie die Weihe verheirateter Männer zu Priestern zu instrumentalisieren, als abscheulich und eine Beleidigung Gottes.

Kardinal Sarah hat völlig recht. Hinter der bunten Kulisse der Amazonas-Synode werden alte modernistische Projekte vorangetrieben.

Die drängende Frage in bezug auf Südamerika wäre aber die: Wie kam es, dass die Evangelisierung durch die katholische Kirche in Lateinamerika so sehr versagt hat?

Das Problem ist alt. Als ich in den neunziger Jahren in Birmingham/Alabama im Hauptquartier von EWTN eine Gruppe Südamerikaner traf, die das Programm des Senders ins Spanische übersetzte, sagten mir diese guten Katholiken, die vorherrschende Religion in Südamerika sei nicht der Katholizismus, sondern die Santeria, d.h. die Verehrung indigener und afrikanischer Götter in christlicher Verkleidung. Das war mir damals neu, ich fand es aber später durch meine Erfahrungen in Lateinamerika bestätigt.

Heute ist der lateinamerikanische Kontinent drauf und dran, protestantisch zu werden, vor allem durch die eifrige «Missionsarbeit» von evangelikalen Mega-Kirchen und ihren Pastoren, die teilweise massiv aus den USA unterstützt werden. Guatemala ist bereits mehrheitlich protestantisch, in anderen Staaten beträgt der, vor allem freikirchliche, Anteil der Protestanten zwischen 40 und 50 Prozent. Es gibt kaum noch Länder, in denen deren Anteil weniger als 20 bis 30 Prozent ist.

Es wäre falsch, diese Entwicklung nur einem aggressiven, US-gesponserten Proselytismus zuzuschreiben. Es gibt dafür auch andere gute, gesellschaftliche Gründe.

Dies ist meine Erfahrung aus eigener Anschauung: Schliesst sich eine Familie einer evangelikalen Gemeinschaft an, so ändert sich ihre Situation meistens radikal. Mit dem Machismo, dem sexuellen Herumvagabundieren, dem Alkoholismus, den Drogen und anderen Lastern ist es vorbei. Vor allem wird erwartet, dass auch die Männer fleissig und konstant arbeiten und für Frau und Kinder sorgen.

Das führt zu einem raschen sozialen Aufstieg, und es ist kein Zufall, dass Freikirchen und die Evangelikalen in Lateinamerika immer mehr auch zu einer politischen Macht werden, mit immer mehr Abgeordneten und sogar Staatspräsidenten, die Freikirchen angehören.

Diese Entwicklung, die sich immer mehr beschleunigt, zeigt auch, dass die Befreiungstheologie die Herzen der Lateinamerikaner nie erreicht hat, vor allem nicht der einfachen Menschen. Die protestantischen Pastoren knüpften an der spirituellen und religiösen Sehnsucht jedes einzelnen Menschen an. Persönliche Bekehrung war gefragt. Die Befreiungstheologen hingegen predigten, das Heil komme aus diesseitigen, oft marxistischen Strukturreformen. Das Ergebnis ist heute offensichtlich. Noch eine Zusatzfrage: Was sollen wir davon halten, wenn der Papst immer wieder mit scharfen Worten über einen angeblichen katholischen Proselytismus herfällt, obwohl manchenorts kaum mehr Evangelisierung stattfindet?

In diesem Zusammenhang ereignete sich vor kurzem im Vatikan etwas, das wirklich traurig stimmt. Da kam eine Südafrikanerin in einer Audienz zum Papst und stellte ihm, wohl etwas zu freudestrahlend, zwei Frauen vor, die zum katholischen Glauben konvertiert waren, die eine aus dem Hinduismus. Statt sich jedoch mit der Frau nur zu freuen, dass diese Menschen Jesus Christus, ihren Erlöser, gefunden hatten, ermahnte der Papst die Frau, ja nicht in den Proselytismus zu verfallen.

PS: Proselytismus bezeichnet heute Bekehrungsversuche mit fragwürdigen Mitteln wie Zwang oder Verführung durch materielle Vorteile.

Herbert Meier

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